Montag, 16. März 2009

Amoklauf und Ursachen

Heutzutage ist es modern den Medien, ob nun Film und Fernsehen oder Computerspielen einen nicht unerheblichen Anteil an der Entwicklung unserer Jugendlichen zuzuschreiben.

Da ich nicht glaube das sogenannte „Killerspiele“ oder Horrorvideos einen allzu großen Anteil am letztendlich gewählten Ventil „Amoklauf“ haben, habe ich mich mal ein wenig schlau gemacht.

Der Attentäter von Erfurt, Robert Steinhäuser, war ein durchschnittlicher Gymnasiast, war aktiv in verschiedenen Sportvereinen (Schützenverein, Handballverein). Er steht gern im Mittelpunkt des Interesses, wie eine Mitschülerin mitteilt. Wegen Urkundenfälschung flog er von der Schule. Er hielt die Illusion aufrecht immer noch seinem Abitur nachzugehen, sowohl seinen Eltern, als auch seinem restlichen Umfeld gegenüber. Am Tag der Abiturprüfung läuft er in seiner Schule Amok.

Der Attentäter von Winnenden, Tim Kretschmer, war ein durchschnittlicher, kaum auffälliger Realschüler. Er bestand seinen Abschluss und fing eine Lehre an. Sozial war er eher wenig entwickelt. Ein Nachbar beschreibt ihn als Angeber, der mit dem Geld seines Vaters prahlte. Seine Noten sollen eher schlecht gewesen sein. Sein Vater ist ein gutverdienender Unternehmer. Ausserdem ein Waffennarr, mit über 15 eigenen Schusswaffen. Tim habe bereits mit 10 Jahren das Schiessen erlernt. Laut Berichten aus seiner Musterung sei er mehrfach wegen Depressionen in Behandlung gewesen, seine Eltern dementieren das.

Nach meiner Meinung zeigen beide Täter Anzeichen für einen Minderwertigkeitskomplex, also ein abnorm gesteigertes Minderwertigkeitsgefühl.

Die Individualpsychologie sieht die Ursache des normalen Minderwertigkeitsgefühles beim Kleinkind aufgrund seiner Unvollkommenheit als menschliches Wesen. Nur wenn das Minderwertigkeitsgefühl zu stark ist, kann sich auf dem Weg der Kompensation ein neurotischer Lebensplan entwickeln. Eine wirklich vorhandene Minderwertigkeit, die übertrieben erlebt wird, kann mit einer mehr oder weniger eingebildeten Überlegenheit kompensiert werden. Mit ungewöhnlicher Intensität als nachteilig empfundene Minderwertigkeit und ersehnte, aber fiktive Überlegenheit verursachen zuerst beim Kind, später beim Erwachsenen eine gewisse Unbeständigkeit in seinen Selbstwerterlebnissen.

Menschen mit einem Minderwertigkeitskomplex fühlen sich unterlegen, klein und unbedeutend. Viele haben Depressionen und sind suizidgefährdet. Wiederholte Erfahrungen durch Fehler und eigenes Versagen können eine Persönlichkeitsstruktur in negativer Weise prägen. Minderwertigkeitsgefühle können sich auch in Symptomen ausdrücken, die Signale sein können, mit denen man andere auf sich aufmerksam machen will. Minderwertigkeitsgefühle können zu Beziehungsarmut, Liebesunfähigkeit in Form einer einseitigen Abhängigkeit vom Partner, Soziophobie und zu ständiger Angst, etwas falsch zu machen, sowie zu Sprachhemmungen führen.

Minderwertigkeitsgefühle führen zu Kompensationsverhalten:

Das egozentrische Verhalten von Robert Steinhäuser, sowie das angeberische Verhalten von Tim Kretschmer sind schon mal klare Anzeichen. Aber auch der Konsum von Killerspielen, in denen man andere Menschen besiegt, die 120 Bondage Fotos von Tim K. oder die Horrorvideos können als Kompensationsmittel gesehen werden. Hier zeigt sich deutlich die mehr oder weniger eingebildete Überlegenheit.

Minderwertigkeitsgefühle führen bei Männern – häufig in jungen Jahren - zu einer nach außen gerichteten Aggressivität, bei Frauen zu einer nach innen gerichteten Aggressivität:

Beispiele für Autoaggressivität sind zB.: Depression, Nägel kauen, Selbstverstümmelung (Verbrennen mit Zigaretten, Schnittwunden zufügen).

Gehen wir davon aus das Autoaggressivität im Selbstmord ihr Maximal erreicht, so kann das bei nach außen gerichteter Aggressivität durchaus ein Amoklauf sein.

Ist natürlich die Frage, ob das Killerspiel an sich nun der Auslöser war. Meines Erachtens nach baut man durch Killerspiele, so wie durch Boxen, keine Aggressionen auf, sondern eher ab. Passt zum Bild als Kompensationsmittel.

Was nun der tatsächliche Auslöser war, vermag ich nicht zu sagen.

6 Kommentare:

Timo hat gesagt…

Schöner Post. Schade, dass über solch sinnvolle Ansätze in der Öffentlichkeit kaum diskutiert wird. Ist wohl einfach nicht reißerisch und polemisch genug. Außerdem haben unglaublich viele Menschen Minderwertigkeitsgefühle (nur nicht in solchem Ausmaß) wodurch diese Diskussion wahrscheinlich durch viele abgelehnt würde, da man sich ja gleichzeitig auch mit sich selbst beschäftigen müsste.
Zudem würden bei dieser Diskussion die Eltern zu sehr in die Verantwortung gezogen (Vermittlung eines Selbstwertgefühls ist ein grundlegender Faktor des Kindeserziehung) und welcher Sender/Politiker wird schon der größten Gruppe seiner Zuschauer/Wähler Schuld zuweisen...

andreas.erich.kemper@gmail.com hat gesagt…

Ja, ein guter Kommentar.
Der Begriff Minderwertigkeitskomplex stammt von Alfred Adler. Er erarbeitete auch das Konzept der "Proletarischen Protestmännlichkeit". Allerdings sind "Proletarier" oder "Angehörige der Unterschicht", wie wir heute abwertend sagen, noch nie Amok gelaufen. Amokläufer sind immer Männer aus der Mittelschicht, die sich deklassiert fühlen.

Kreuzner hat gesagt…

Das Schlimme ist, das man nicht studiert haben muss um die eigentlichen Ursachen zu erkennen und die Games als Kompensation oder Symptom zu verstehen.

Die Idee, plus Recherche für diesen Artikel hat mich 15 Minuten Google und Wikipedia gekostet. Inklusive dem Verfassen.

Wenn ich dann sehe, wie wenig / schlecht recherchiert die Artikel oder Sendungen über eine völlig falsche Problematik ist, wenn von Ego Shootern wie World of WarCraft gesprochen wird beispielsweise, dann geht mir der Hut hoch.

Asparagus hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Asparagus hat gesagt…

Die Kernaussage ist meiner Ansicht nach sehr gelungen.
Um auf die Problematik schlecht rescherchierter Berichte zu kommen:
Wir, die deutschen Bundesbürger, sind selbst Schuld, dass im Goßen und Ganzen relativ einsitig über das Thema Killerspiele berichtet wird, von Politikern wie auch von den Medien.
Sobald ein Ereignis, wie dieser tragische Amoklauf, geschieht, verlangen die Menschen Antworten, und diese möglichst schnell. Ob diese Antworten der Warheit entsprechen ist für einen Großteil der Bevölkerung sekundär.
Also geben Politiker und Medien dem Volk, was es verlangt: Schnelle Antworten.
Es ist ja auch deutlich einfacher, möglicht schnell einen Sündenbock zu finden, als sich mit der Anamnese des Täters zu befassen und dort nach den Ürsprüngen seiner Störung zu suchen.
Und das Volk ist erstmal beruhigt, bis zum nächsten Knall.

Ploppy8888 hat gesagt…

Hallo , wie schön wäre es wenn man nur alle Computerspiele und Gewalt in den Medien zu verbieten bräuchte , um sowas zu verhindern. Leider ist die Geschichte der Menschheit eng verbunden mit Terror , Kriegen , Gewalttaten , ohne dass Menschen Computer nutzten , geschweige denn überhaupt lesen konnten.Ursachen sind
doch im Grunde ganz andere , hier muss man viel differenzierter herangehen um sowas zu verstehen.